Plinio Corrêa de Oliveira

 

Kurs auf die vollständige Sozialisierung

des Landes:

Eine von der Mehrheit der
Bevölkerung abgelehnte Verfassung

 

 

 

 

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Aus Philosophisches Selbsbildnis (*)

Da das Modell einer unmittelbaren Demokratie, wie sie zum Beispiel in den Stadtstaaten des griechischen Altertums üblich war, in der heutigen Welt angesichts der Größe der Bevölkerung und der territorialen Ausdehnung nicht mehr durchführbar ist, wird die Demokratie nun auf mittelbare, repräsentative Weise ausgeübt.

Die Bürger wählen deshalb Vertreter, die an ihrer Stelle über Gesetze abstimmen und den Staat im Sinne der Wählerschaft lenken. Es handelt sich also um eine Repräsentativ-Demokratie.

Die Beziehung zwischen dem Wähler und seinem Abgeordneten ist im Wesentlichen die einer Bevollmächtigung. Der Wähler überträgt dem von ihm vorgezogenen Kandidaten den Auftrag, die gesetzgeberische Gewalt in Übereinstimmung mit dem normalerweise bei der Wahlkampagne der Öffentlichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegten Programm auszuüben.

Ähnliches gilt auch hinsichtlich der Wahl zu den Ämtern der ausführenden Gewalt.

Daraus geht hervor, dass die Glaubwürdigkeit der demokratischen Regierungsform völlig auf der Glaubwürdigkeit der Repräsentation beruht.

Diese Schlussfolgerung ist durchaus einleuchtend, denn, wenn Demokratie die Regierung des Volkes ist, ist sie nur dann glaubwürdig, wenn die Inhaber der Staatsmacht (sowohl die Legislative als auch die Exekutive) auf die vom Volk gewünschte Weise gewählt werden und auch im Sinne seiner Ziele handeln.

Ist dies nicht der Fall, wird das demokratische Regime zum leeren Anschein, wenn nicht gar zum Betrug.

Vor dieses schwierige Problem sah sich die brasilianische Bevölkerung gestellt, als sie aufgerufen wurde, am 15. November 1986 die Parlamentarier zu wählen, die die künftige verfassunggebende Versammlung bilden sollten.

Nach der Durchführung der Wahl, drängte sich die Aufgabe auf, eine Studie anzufertigen, aus der hervorgehen sollte, welche Repräsentativität sowohl die gerade gewählte verfassunggebende Versammlung als auch der von ihr erarbeitete Verfassungsentwurf besaßen.

Das Ergebnis dieser Studie war das Buch Verfassungsentwurf beängstigt das Land, das ich im Oktober 1987 abschließen konnte und das daraufhin allen Mitgliedern der verfassunggebenden Versammlung überreicht wurde. Es sollte ein Hinweis darauf sein, dass  der sich abzeichnende Abgrund zwischen dem neuen Verfassungstext und der mehrheitlichen Meinung der Bevölkerung zu einem verhängnisvollen Ausgang führen würde.

Im ersten Teil des Werkes untersuche ich die für die Repräsentativität einer Wahl notwendigen Voraussetzungen. Ich unterscheide zwischen Berufspolitikern und politisch aktiven Berufstätigen, um zu zeigen, dass die Teilnahme der letzteren, d.h. authentischer Vertreter der unterschiedlichsten Berufe oder Tätigkeitsbereiche, am öffentlichen Leben das politische Bild des Landes bereichern würde.

Nach meinem Dafürhalten könnte man auf diese Weise der Verdrossenheit der Wähler entgegenwirken, die vor allem in einer überraschend hohen Anzahl von Stimmenthaltungen beziehungsweise ungültigen Stimmen zum Ausdruck kommt, und die fehlende Repräsentativität der verfassunggebenden Versammlung sanieren, die als das melancholische Ergebnis der 1986-er Wahl ohne Ideen (zweiter Teil) angesehen werden muss.

Zu diesem angeborenen Mangel an Repräsentativität gesellte sich als weiterer Bestandteil das tumultuartige, anormale Funktionieren der verfassunggebenden Versammlung selbst, die eine ganze Reihe von Unauthentizitäten aufzuweisen hatte: 1. Das Plenum der verfassunggebenden Versammlung war weniger konservativ als die Wählerschaft. 2. Die Themenkommissionen waren linker als das Plenum. 3. Die Systematisierungskommission (die die von den Themenkommissionen vorbereitete Arbeit koordinierte) enthielt die größte Ansammlung linksorientierter Politiker der verfassunggebenden Versammlung. Auf diese Weise drohte eine aktive, artikulierte, kühne linke Minderheit, das Land auf Wege zu führen, die keineswegs dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung entsprachen (dritter Teil).

Im vierten Teil analysiere ich den Verfassungsentwurf, der damals im Plenum zur Debatte stand, und zeige, dass man sich mit Riesenschritten auf die völlige Sozialisierung Brasiliens zubewegte. Dies kam besonders deutlich in der Zerschlagung der Familie und der Nichtachtung des Rechts auf Privateigentums zum Ausdruck.

Das Buch schließt mit einem konkreten Vorschlag: An erster Stelle sollte über eine Verfassung der politischen Organisation abgestimmt werden, über die es sich unter den derzeitigen Bedingungen der öffentlichen Meinung in Brasilien leichter zu einer Einigung kommen könnte. Wäre dieser Teil von den Mitgliedern der Versammlung erst einmal gutgeheißen, sollte er einer Volksabstimmung unterworfen werden. Während einer zweiten Etappe und nach einer umfassenden Aufklärung der Bevölkerung über soziale und wirtschaftliche Fragen, bei denen die gegenteiligen Meinungen besonders weit auseinander klaffen, würde eine Ergänzung erarbeitet, die ebenfalls einer Volksabstimmung zu unterziehen wäre. Auf diese Weise würde man dem Volk die größtmögliche Gelegenheit geben, seinen Willen auszudrücken, und die verfassunggebende Versammlung würde sich in die noble Rolle versetzt sehen, in so schwierigen Punkten die Meinung des Volkes selbst einzuholen.

Mitglieder und Mitarbeiter der TFP widmeten sich fünf Monate lang der Aufgabe, das Werk in mehr als 240 Städten in 18 Bundesstaaten zu verbreiten und eine Gesamtauflage von 73.000 Exemplaren zu vertreiben.

Es soll hier der Rekordabsatz von 1083 Exemplaren pro Tag hervorgehoben werden, der im Laufe einer intensiven 19-tägigen Verbreitungskampagne in São Paulo erreicht wurde.

Schließlich zeichnete sich doch eine gewisse Reaktion von Seiten der konservativeren Versammlungsmitglieder ab. Es fehlte ihnen jedoch an notwendigem Schwung und Nachdruck, um den im Buch beschriebenen Verlauf noch umkehren zu können. Brasilien bekam eine Verfassung „geschenkt“, die in der Folgezeit eine Reihe von Hindernissen für die Regierbarkeit des Landes hervorrufen sollte.

 

(*) Plinio Corrêa de Oliveira zum 100. Geburtstag


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