Die Seelenerhabenheit Unserer Lieben Frau

Plinio Corrêa de Oliveira

Würden wir heute das innere Leben der Nationen analysieren, fänden wir einen Zustand der Unruhe, der Unordnung, ungezügelter Begierden und Ambitionen sowie die Unterwanderung aller Werte, die uns ins Chaos führen. Kein zeitgenössischer Staatsmann hat bisher ein Heilmittel gegen diesen verhängnisvollen globalen Prozess gefunden. Doch Unsere Liebe Frau tat dies in Fatima, indem sie den Menschen die Augen für die Schwere dieser Situation öffnete und ihnen die notwendigen Mittel zur Abwendung einer Katastrophe aufzeigte. Es ist die Geschichte unserer Zeit und darüber hinaus ihre Zukunft, die die Mutter Gottes in Fatima analysiert. Wenn es stimmt, dass der große hl. Augustinus den Untergang des Weströmischen Reiches verkündete, der hl. Vinzenz Ferrer den Niedergang des Mittelalters voraussah und der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort die Französische Revolution von 1789 prophezeite, so hat unser Jahr-hundert einen noch größeren Anteil daran: Am Vorabend der globalen Krise erschien die Jungfrau Maria selbst, um zu den Menschen zu sprechen. Und zugleich erklärt sie die Wurzeln der Krise, weist den Weg zur Heilung und prophezeit die Katastrophe, sollte die Menschheit ihr nicht Gehör schenken.

 

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Die Internationales Pilgerstatue Unserer Lieben Frau von Fatima.

Im Jahr 1917 erschien die Jungfrau Maria drei Hirtenkindern in Fatima (in der Cova da Iria, Portugal) und verkündete der ganzen Welt die schrecklichen Dramen und Strafen, die sie heimsuchen würden, sollte sie sich ihr nicht in Reue und Demut und in aufrichtiger Seelenerneuerung zuwenden. Am 17. Juli 1972 ereignete sich in New Orleans (USA) das erstaunliche Wunder, dass ein Statue Unserer Lieben Frau von Fatima weinte. Die Heilige Jungfrau bekräftigte ihre Botschaft diesmal mit der beredten Sprache der Tränen. Der Bericht über dieses Weinen stammt von Pater Elmo Romagosa und erschien am 20. Juli 1972 in der Wochenzeitung „Clarion Herald“ von New Orleans, die in elf Pfarreien im Bundesstaat Louisiana verteilt wird. Pater Romagosa hatte von Pater Joseph Breault, M.A.P., von diesen Tränen gehört. Er zögerte jedoch sehr, dies als Wunder anzusehen. Deshalb bat er den anderen Priester, ihn zu benachrichtigen, sobald das Phänomen sich nochmals ereignete. Pater Breault bemerkte am 17. Juli Feuchtigkeit in den Augen der Pilgernden Jungfrau und rief Pater Romagosa an, der um 21:30 Uhr mit Fotografen und Journalisten zur Statue eilte. Tatsächlich bemerkten alle eine leichte Feuchtigkeit in den Augen der Statue, die daraufhin sofort fotografiert wurde. Pater Romagosa strich mit dem Finger über die feuchte Oberfläche und nahm einen Tropfen Flüssigkeit auf, der ebenfalls fotografiert wurde. Laut Pater Breault war dies das dreizehnte Mal, dass er diese Statue weinen sah…

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Zwanzig Jahre später

Zwanzig Jahre nach dem wundersamen Weinen von New Orleans ist es nicht schwer zu erkennen, dass die Muttergottes noch immer über die heutige Welt weint – wie Unser Herr über Jerusalem –, mit Tränen mütterlicher Zuneigung und tiefer Trauer, in Erwartung der gewaltigen Strafe, die kommen wird. Diese Strafe wird uns alle, die Menschen des 20. Jahrhunderts, treffen, wenn wir nicht der Gottlosigkeit und der moralischen Verderbtheit abschwören. Aus kindlicher Verehrung und Dankbarkeit für die Marienerscheinungen in Fatima – dem bedeutendsten religiösen Ereignis dieses Jahrhunderts – und für die Trauer in New Orleans verkünden wir den unvergleichlichen Edelmut der Jungfrau Maria.

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In gewisser Weise kann man sagen, dass die Tugend der Edelmut der Seele ist. Das heißt, Edel zu sein in der geistigen Ordnung bedeutet tugendhaft zu sein und im Stand der Gnade zu leben. So dass in einer Seele, die diesen Zustand erreicht, unser Herr Jesus Christus selbst zu seiner Wohnung nimmt. So wie der irdische Adel verschiedene Grade kennt, vom Baron über den Herzog bis zum Fürsten, so kennt auch das Leben in der Gnade Gottes verschiedene Grade. Und unter allen Geschöpfen erreichte die Jungfrau Maria den Gipfel dieser aufsteigenden Leiter der Tugenden und Gnaden. Wir befassen uns in diesem Artikel daher nicht mit dem irdischen Adel Unserer Lieben Frau, der als Angehörige des königlichen Hauses Davids ebenfalls wahr und wichtig ist, sondern nur mit ihrem geistigen Adel.

Das Verhältnis zwischen den Ehegatten

Ein Kriterium zur Beurteilung der Seelenadel der Gottesmutter ist die Erkenntnis, dass in jeder glücklichen Ehe ein gewisses Verhältnis zwischen Mann und Frau herrschen muss. Andernfalls handelt es sich lediglich um eine Allianz. Die allerseligste Jungfrau Maria ist die Braut des Heiligen Geistes. Als Tochter, Mutter und Braut Gottes selbst empfing sie die zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit in ihrem jungfräulichen Schoß (der vor, während und nach der Geburt jungfräulich blieb) durch das Wirken des Heiligen Geistes. Sie ist daher jene Schöpfung schlechthin, einzigartig und unvergleichlich, die durch die Gnade ein bestimmtes Verhältnis für diese Vereinigung mit der unendlichen Vollkommenheit besaß.

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Die Statue Unserer Lieben Frau vom Guten Erfolg, (Bild links) das im 16. Jahrhundert auf wundersame Weise geschaffen und im Kloster der Unbefleckten Empfängnis in Quito verehrt wird, spiegelt die geistige und leibliche Erhabenheit der Königin des Universums treffend wider.

Mut und Uneigennützigkeit

Wahrer Seelenadel umfasst zwei wichtige Eigenschaften, die sich in Mut und Uneigennützigkeit zeigen. In der heiligsten Seele Unserer Lieben Frau strahlten beide Merkmale in unvergleichlicher Weise hervor. Unser Herr Jesus Christus lebte dreißig Jahre mit seiner geliebten Mutter und dem keuschen hl. Josef. Letzterer diente ihm bewundernswert als Vater. Unser göttlicher Erlöser widmete drei Jahre seinem öffentlichen Wirken, und am Ende dieser Zeit wusste Unsere Liebe Frau, die die Heilige Schrift vollkommen kannte, dass er am Kreuz sterben würde. Auch während dieser drei Jahre begleitete Unsere Liebe Frau ihren göttlichen Sohn Schritt für Schritt – persönlich oder im Geiste. Nach dem Tod des hl. Josef sah sie, wie die Herrlichkeit ihres Sohnes die Menschenmengen im ersten Jahr seines Wirkens unter den Juden in Erstaunen versetzte und bezauberte. Dies erfüllte sie natürlich mit großer Freude, mehr noch, weil er Gott war, als weil er ihr Sohn war. Im zweiten Jahr bemerkte sie den Hass und die Intrigen, die die Priester des Tempels, die Schriftgelehrten und die Pharisäer gegen unseren Herrn schmiedeten. Und sie verstand genau, dass inmitten all dieser Intrigen der Augenblick vorbereitet wurde, in dem ein Sturm über ihren göttlichen Sohn hereinbrechen und ihn in den Tod führen würde. Die selige Jungfrau Maria betrachtete mit vollkommener Gelassenheit die nahende Stunde, in der sie erneut auf den größten Schatz verzichten würde, der je einem Geschöpf anvertraut wurde: den Gottmenschen selbst. Sie stimmte voll und ganz zu, dass ihr Sohn seine Mission bis zum Ende erfüllen und als Sühneopfer für die Sünden der Menschen sterben sollte. Und ihn anbetend wie keine andere, übergab sie ihn mit Mut und Uneigennützigkeit der göttlichen Gerechtigkeit.

Edelmut par excellence

Der Ewige Vater wollte ihre Zustimmung zum Tod ihres Sohnes. Sie wusste um all die Menschen, die durch die Verdienste des unendlich kostbaren Blutes unseres Herrn Jesus Christus bis zum Ende der Welt gerettet werden würden, und um die Ehre, die dadurch Gott zuteilwurde. Deshalb willigte sie ein. Und gerade in dieser Darbringung des kostbarsten Schatzes an den Ewigen Vater wird eine der herausragendsten Eigenschaften der vollkommenen Erhabenheit Mariens verehrt. Mit diesem Akt der Großmut war sie bereit, eine Flut von Leiden auf sich zu nehmen, die sie gemeinsam mit ihrem göttlichen Sohn erlitt. Und deshalb ist die Muttergottes wahrlich die Miterlöserin der Menschheit. Hier zeigt sich vollkommene Erhabenheit: Mut, vollkommene Hingabe, gefolgt von der vollkommenen Herrlichkeit jener, die „Ehre, Herrlichkeit und Freude“ der ganzen Welt ist.

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Das Bildnis Unserer Lieben Frau der Könige (Virgen de los Reyes) (13. Jahrhundert), auf ihrem Thron in der Kathedrale von Sevilla sitzend, spiegelt den königlichen Charakter der Mutter Gottes treffend wider.

Quelle: CATOLICISMO, Juli 1992 „Nobreza de alma de Nossa Senhora“. http://p-c-o.blogspot.com/ 

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