Plinio Corrêa de Oliveira

 

 

Pio XII und die Ära Mariens

 

 

 

 

 

 

 

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In „Catolicismo“ Jahrgang IV – Dezember 1954 – Nr. 48 (*)

Mit der Veröffentlichung der Enzyklika „Ad Coeli Reginam“ (am 11. Oktober 1954) wollte der Heilige Vater Pius XII. die Übungen der marianischen Frömmigkeit, mit der er die Christenheit im Laufe des Jubiläumsjahres der Unbefleckten Empfängnis erbaute, mit einem höchst wichtigen Akt vervollkommnen. Er selbst äußerte es in klaren Worten: „Wir möchten indessen gewissermaßen den Schlussstein auf diese Einzelerweise Unserer Verehrung der Mutter Gottes setzen, … und (um) in glücklicher Weise das Marianische Jahr (zu) beschließen, das sich nun seinem Ende nähert, … haben Wir beschlossen, das liturgische Fest ,der Heiligen Jungfrau Maria, Königin‘ einzusetzen.“ Auf die Wichtigkeit dieses Aktes weist der Papst hin, als er erklärt, dass in diesem Weiheakt „ruht wahrlich eine lebendige Hoffnung, dass wir eine Ära des Glückes sich erheben sehen, die sich des christlichen Friedens und des Triumphes der Religion erfreuen wird“. Diese Hoffnung, erklärt der Papst, hat ernsthafte und tiefe Gründe: „Da Wir nun durch lange und reifliche Überlegungen die Überzeugung erlangt haben, dass es für die Kirche vorteilhaft sein wird, wenn diese sicher begründete Wahrheit (des Königtums Mariens) wie ein besonders helles Licht auf einem Kandelaber klarer vor aller Augen leuchtet“.

Wohl verstanden soll diese Gnade, die sich an das Herz eines jeden Menschen richtet, seine Seele auch erneuern. Dass „in der Nachfolge und zu Ehren einer so großen Königin die Christen sich endlich wahrhaft als Brüder fühlen werden und dass sie den Hass und die ungezügelte Sehnsucht nach Reichtum verbannen, die soziale Liebe üben, das Recht der Armen achten und den Frieden lieben werden.“ Es geht nicht darum, eine rein äußerliche und formale marianische Bewegung zu fördern, sondern den Seelen eine ernsthafte und wirkungsvolle Umsetzung der Gnaden zu fordern, die sie von ihrer Mutter bekommen werden: „Niemand halte sich als Kind Mariens für würdig, unter ihren Schutz aufgenommen zu werden, wenn er nicht nach ihrem Beispiel gütig, gerecht und rein ist und wenn er nicht mit Liebe wahre Brüderlichkeit übt und ohne jemand Unrecht zu tun, im Gegenteil Hilfe und Trost bringt.“

Diese Worte des Papstes verdienen eine eingehende Betrachtung. Einerseits spricht er gegen den Neid: eine eindeutige Haltung großer Menschenmassen, die über ungerechte Prüfungen verbittert sind und vielfach durch die demagogischen Prinzipien der Französischen Revolution und des Kommunismus vergiftet sind: die Reichen hassen, nur weil sie über deren Vermögen neidisch sind und die ganze soziale Hierarchie zerstören wollen. Der Heilige Vater spricht auch vom maßlosen Wunsch nach Reichtum, ein Übel, das fast alle Länder der Welt plagt. Machthaber der Industrie und des Handels häufen in ihren Händen enorme Reichtümer an, neben welches das Vermögen der ehemaligen Aristokratien fast unbedeutend erscheint. Sie verwandelten die Wirtschaft in ein geschlossenes Reich, in dem sie über den An- und Abstieg der Preise, über den Umlauf und die Verwendung des Reichtums bestimmen. Bald unterdrücken sie den Staat, bald werden sie von diesem Unterdrückt, wenn die Welle der Demagogie steigt. So sieht sich die Gesellschaft immer bedrängter von diesen zwei mehr oder weniger verdeckten Formen von Diktatur: die der Finanzoligarchie und die der Masse. Daraus kann nur die Erdrosselung der echten gesellschaftlichen und geistigen Eliten, die Unterdrückung des ehrlichen und friedlichen Arbeitnehmers, die Vernichtung der kleinen und mittleren Bourgeoisie hervorkommen. Es ist das erbärmliche Phänomen des Klassenkampfes in der, das, was in der Gesellschaft am unechtesten und schlechtesten ist – Kamarillas von Blutsaugern der Wirtschaft oder vulgäre Demagogen – das verschlingt, was am authentischsten und besten ist. Wie weit dies das Gegenteil der „sozialen Liebe“ ist, von der der Papst spricht, wer sieht das nicht? Um die Gesellschaft vor der Macht des Schlechten über das Beste zu schützen, proklamiert der Papst in der Welt die königliche Würde Mariens.

Sicher ein dringendes Werk, das der sozialen Reform. Um so mehr da Pius XII. sie wesentlich in der Art einer moralischen Reform sieht. Doch Maria hat eine große Macht über die menschliche Seele; ihr müssen sich die Menschen nahen nicht nur, „um Hilfe in der Gefahr, Licht in der Finsternis, Trost in Schmerz und Tränen zu erflehen“, sondern die Gnade erflehen, „die kostbarer ist als alle anderen“, „den Mut aufbringen, sich von der Knechtschaft der Sünde loszureißen“.

Die Verkündigung der Souveränität Mariens in der Enzyklika „Ad Coeli Reginam“, die Einsetzung ihres Festes auf den 31. Mai, die Krönung des Marienbildes „Salus populi Romani“ durch den Papst selbst, dies alles kann und muss der Ausgangspunkt sein für eine neue Zeit in der Geschichte der Menschheit: die Ära des Königtums Mariens.

Mit der der Heiligen Kirche eigenen Vorsicht begründet die Enzyklika „Ad Coeli Reginam“ die königliche Würde Mariens nicht nur mit theologischen Argumenten. Es wäre jedoch nicht überflüssig daran zu erinnern, dass dieser große Tag der Ausrufung des Universalen Königtums Mariens und die Hoffnung auf eine Epoche von Triumph und Ruhm der Religion schon seit Jahrhunderten Gegenstand der Wünsche vieler frommen Seele ist.

Eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der katholischen Kirche war sicher die Verbreitung der Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu. Wenn auch diese Devotion vielen Heiligen schon vorher nicht unbekannt war, fand die Verbreitung ihren Ausgangspunkt in den von der hl. Margareta Maria Alacoque erhaltenen Offenbarungen in Paray-le-Monial im 17. Jahrhundert, nahm während den nächsten Generationen stark zu und erreichte ihren Höhepunkt am Anfang des 20. Jahrhunderts. Neben der Verbreitung dieser Andacht nahm eine andere Devotion auch ihren Anfang in Frankreich: die Knechtschaft zur Mutter Gottes, dessen größter Lehrer der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort (17. Jh.) mit seiner „Abhandlung von der wahren Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria“. Der Vereinigungspunkt – wenn man dies von wesentlich zusammengehörenden Dingen sagen kann – dieser zwei großen Gnadenströme war die Andacht zum Unbefleckten Herzen Mariens, deren Lehrer und Prediger der spanische Heilige Antonio Maria Claret gewesen ist. Er gründete im 19. Jahrhundert die Kongregation der Missionare Söhne des Unbefleckten Herzens Mariens.

Nun sind aber die Schriften der Heiligen, die sich am meisten ausgezeichnet haben, die Andacht zum Heiligsten Herzen Jesu zu lehren und zu verbreiten, gefüllt von der Hoffnung auf den Sieg des Königtums Christi nach den stürmischen Zeiten, in denen wir leben, und das Beten für diesen Sieg war der eigentliche Zweck des Herz Jesu Gebetsapostolats in der ganzen Welt. Auf der anderen Seite sind die Schriften des hl. Ludwig Grignion von Montfort reich an prophetischen (wir benutzen diesen Ausdruck mit den Vorbehalten des guten katholischen Sprachguts) Lichtstrahlen über das Königtum Mariens, als Schlusspunkt der Katastrophenära, die mit der protestantischen Reformation begonnen hat.

Königtum Christi und Königtum Mariens sind nicht unterschiedliche Dinge. Das Königtum Mariens ist nichts anderes als ein Mittel – oder eher das Mittel – zur Einrichtung des Königtums Jesu Christi. Das Herz Jesu regiert und triumphiert im Reich und im Triumph des Herzens Mariens. Das Reich und der Triumph des Herzens Mariens beruhen auf nichts weiteres, als den Triumph und das Reich des Herzen Jesu herbeizuführen. So münden diese nach der protestantischen Reformation entstandenen zwei großen Ströme zu einem gleichen Ziel, zur Vorbereitung eines gleichen Ereignisses: das Königtum Jesu und Mariens in einer neuen historischen Ära.

Diese Überlegungen können dem, was die Hirtenkinder in Fátima vom Unbefleckten Herzen Mariens gehört haben, nicht fremd sein. Die Muttergottes setzte eine sehr deutliche Alternative zwischen eine Zeit des Glaubens und des Friedens, falls man ihren Bitten nachkommen würde, und wenn nicht, käme eine Zeit der Verfolgungen. Als Bedingung für die Zeit des Glaubens und des Friedens wies sie besonders auf die Weihe der Welt ihrem Unbefleckten Herzen und eine allgemeine Bekehrung im Lebenswandel der Menschen hin.

Da nun jetzt der Heilige Vater – der schon Russland und die Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht hat – verordnete, die Weihe jährlich am Festtag des Königtums Mariens pflichtmäßig zu erneuern, wer könnte da dem Gedanken fliehen, dass der Papst einen sehr wichtigen Anfang setzt, auf dem so viele fromme Seelen seit Jahrhunderten gewartet haben und die Pforten der Ära Mariens in der Geschichte der Welt öffnet?

Der hl. Papst Pius X. gedachte in der Enzyklika „Ad diem illum“ zum 50. Jahrestag der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis der wunderbaren Früchte, die das Dogma hervorbrachte: vor allem die Wunder in Lourdes und die Erklärung der Päpstlichen Unfehlbarkeit. Werden im diesjährigen Hundertsten die Früchte geringer gewesen sein? Die göttliche Vorsehung wollte, dass sie aus den Händen Pius XII. sprießen. Es waren die Verkündigung des Dogmas der Himmelfahrt Mariens und die Proklamation des Königtums Mariens. Was kann reicher, fruchtbarer, schöner sein?

(*) Plinio Corrêa de Oliveira zum 100. Geburtstag